Digitale Medien im Deutschunterricht der Grundschule

In einer meiner letzten Seminarsitzungen diskutierten wir gemeinsam mit Lehrer*innen und Student*innen über den (Un-)Sinn digitaler Medien im Deutschunterricht der Grundschule. Als Ausgangspunkt diente uns die Überlegung, was die Begriffspaare analog und digital in unserem Alltag bedeuten. Schnell wurde deutlich, dass es sich bei den Konzepten keinesfalls um distinktive Kategorien handelt. Vielmehr scheinen analoge und digitale Zustände in unserer Lebenswelt untrennbar verschmolzen. Und das gilt zunehmend auch für den schulischen Bereich. Woran wird das sichtbar? Sehen wir uns einige Unterrichtsszenarien an:

  • Beobachtung eines zuvor aufgezeichneten Experimentes über das Whiteboard
  • Bereitstellung des Wochenplanes über ein Klassenpadlet
  • Bearbeitung eines Arbeitsblattes mit eingebettetem QR-Code, das zu einem vertiefenden Erklärvideo führt
  • Recherche zu einem sprachlichen Zweifelsfall über Wörterbuch sowie Klassentablet

Wie lassen sich die Unterrichtsszenarien den Begriffen analog und digital zuordnen? Eine strikte Distinktion, eine scharfe Trennung ist nicht möglich und womöglich auch nicht sinnvoll. Um es mit Katrin Passing & Aleks Scholz (2015) zu sagen:

Unsere Umgebung ist weder digital noch analog. Beide Begriffe sind Idealisierungen der Realität, genau wie die Idee, man könnte eine auf Papier gemalte Linie in unendlich viele Stücke zerschneiden. Analoges und Digitales existiert in Menschen und Geräten gleichzeitig, je nachdem, wie genau man auf welcher Ebene hinschaut.

(Kathrin Passig & Aleks Scholz 2015)

Und ich würde an dieser Stelle noch einen Schritt weiter gehen: Nicht nur ist eine Trennung nicht möglich, vielmehr ist der ständig verfügbare Zugang zu digitalen Medien und insbesondere dem Internet der neue default-Zustand. Nicht online zu sein ist der ungewöhnliche Zustand (Rojo 2014). Deutlich wird das, wenn wir unseren Freund*Innen und Familie im Vorfeld ankündigen, dass der Akku unseres Smartphones bald leer sein könnte oder wir womöglich schlechten Empfang an einem bestimmten Ort haben könnten.

Diese Verschmelzung analogen und digitalen Seins und Arbeitens haben auch Didaktiker aufgegriffen und zur Beschreibung den Begriff des blended learning (Integriertes Lernen) geprägt. Blended learning im klassischen Sinn bezeichnet die Nutzung von elektronischen (digitalen) Lernarrangements, die durch analoge Phasen, also Präsenzunterricht ergänzt werden. Unter blended learning im weiteren Sinne versteht man den Einsatz unterschiedlicher Medien und auch unterschiedlicher psychologischer wie didaktischer Theorien und Modelle, um ein möglichst effektives Lernsetting zu kreieren.

Das Stichwort Effektivität führt uns nun zu den Argumenten, die im Diskurs um die Sinnhaftigkeit digitaler Medien im Grundschulunterricht diskutiert werden. Denn dem ein oder anderen mag der Gedanke, dass die Schüler*innen nun auch in der Schule vor Bildschirmen sitzen, Unbehagen bereiten. Damit meine Studierenden sich innerhalb dieses sehr kritisch geführten Diskurses positionieren können, haben wir in der Seminarsitzung die vier zentralen Argumente für einen Einsatz digitaler Medien im Deutschunterricht der Grundschule erarbeitet.

  1. Das Effizienzargument

Das Effizienzargument ist eines der ersten Argumente, dass von meinen Studierenden angeführt wird. Viele erleben im Praktikum an der Schule, wie bequem es ist, nicht zwischen unterschiedlichen technischen Geräten oder Medien wechseln zu müssen, sondern beispielsweise alles über das Whiteboard arrangieren zu können. Auch das Präsentieren und Festhalten von Arbeitsergebnissen für die kommende Stunde wird erleichtert. In der Pandemie hat sich noch deutlicher gezeigt: Ohne digitale Medien wäre Unterricht kaum oder gar nicht möglich gewesen. Durch den Einsatz digitaler Formate konnte der Unterricht zumindest ein Stück weit zu den Schüler*innen nach Hause transportiert werden.

2. Das Lebensweltargument

Das Lebensweltargument ist bereits im obigen Zitat von Kathrin Passig & Aleks Scholz aufgegriffen. Aber auch das Kerncurriculum positioniert sich dahingehend:

Die Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler ist geprägt von einem selbstverständlichen Umgang sowohl mit analogen als auch mit digitalen Medien. […]Ein sinnvoller, kompetenter und verantwortungsbewusster Umgang mit digitalen Medien sensibilisiert Schülerinnen und Schüler sowohl für die Chancen als auch für die Risiken dieser Medien.

Niedersächsisches Kultusministerium: Kerncurriculum für die Jahrgänge 1-4 Deutsch

3. Das Zukunftsargument

Schule hat die Aufgabe, Schüler*innen auf die Zukunft vorzubereiten. Nun weiß niemand, was die Zukunft birgt – daher ist es umso wichtiger, aktuelle Entwicklungen aufzugreifen, um den Schüler*innen einen kritisch-reflexiven Blick zu ermöglichen. Aus heutiger Perspektive ist es zudem schwer vorstellbar, dass sich die Entwicklungen in den Bereichen der Digitalisierung (Industrie 4.0 usw.) abbremsen oder gar umkehren werden. Aus gesellschaftlicher Perspektive sind Schüler*innen gefordert, die für Innovationen sorgen können, um technischen Fortschritt zu ermöglichen.

4. Das Lernargument

Hinter dem Lernargument steht die Idee, dass unterschiedliche Medien ein unterschiedliches Lernpotential bieten. Digitale Medien können, bei sinnvollem Einsatz, zu einem höheren Lernerfolg beitragen. In der Grundschule recht häufig eingesetzte Formate sind Lern-Apps wie Anton oder Antolin. Aufgabe der Lehrkraft ist es hierbei, die fachliche und fachdidaktische Angemessenheit kritisch zu hinterfragen. Nicht alles, was angeboten wird, ist lernförderlich!

Tolle Möglichkeiten für sprachlich heterogene Lerngruppen bieten beispielsweise digitale mehrsprachige Kinderbücher, wie sie etwa auf der Website Amira zur Verfügung gestellt werden. Auch Audiostifte, die von Lehrkräften besprochen werden können, sind vielfältig einsetzbar.

Literatur

Döbeli Honegger, B. (2016): Mehr als 0 und 1: Schule in einer digitalisierten Welt. Bern: hep, der Bildungsverlag.

T. Irion (Hg.), Neue Medien in der Grund-schule 2.0. Grundlagen – Konzepte – Perspektiven. Frankfurt a. M.: Grundschul-verband, 79–90.Irion,

T. (2016): Digitale Medienbildung in der Grundschule. Primarstufenspezifische und medienpädagogische Anforderungen. In M. Peschel & T. Irion (Hg.), Neue Medien in der Grundschule 2.0. Grundlagen – Konzep-te – Perspektiven. Frankfurt a. M.: Grund-schulverband, 16–32.

Martín Rojo, L. (2014): Occupy. In: JLP 13 (4), S. 623–652. DOI: 10.1075/jlp.13.4.03mar.

Wiepcke, C. (2006): Computergestützte Lernkonzepte und deren Evaluation in der Weiterbildung: Blended Learning zur Förderung von Gender Mainstreaming. Kovač.

https://grundschulverband.de/wp-content/uploads/2018/04/Artikel-Wozu-digitale-Medien-in-der-Grundschule.pdf

https://www.klett-cotta.de/media/14/mr_2015_11_0075-0081_0075_01_Passig_Scholz_Schlam_Brei_Bits_Digitalisierung.pdf

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